Finanzielle Gesundheit

Financial Wellbeing: Wir wollen’s doch alle

5
Min.
22.4.2024

Geld ist einer der größten Stressfaktoren. Finanzieller Stress kann gar ein lähmendes Gefühl auslösen und psychische und physische gesundheitliche Folgen haben. Bei den meisten von uns sorgt es vermutlich eher für ein schlechtes Gewissen. Anstatt mehr für die Altersvorsorge zu tun, leiden wir häufig an Aufschieberitis.

Wir wären wohl alle gerne der Homo oeconomicus, wenn wir Finanzentscheidungen treffen müssen. Nur können wir im seltensten Fall wirklich alle Informationen einbeziehen und unsere Emotionen abschalten. Denn unsere finanziellen Entscheidungen sind laut Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman zu 90 Prozent emotional. Natürlich sollten wir nicht leichtfertig und immer zu aus dem Bauch heraus entscheiden, aber für mehr finanzielles Wohlbefinden braucht es ein stärkeres Bewusstsein, dass Emotionen in Geldsachen eine tragende Rolle spielen. Mehr Selbstreflexion und Achtsamkeit kann zur finanziellen Gesundheit beitragen.

Wie werden wir also finanziell gesünder?

Erstens ist es wichtig zu verstehen, wie sich unsere Einstellung zu Geld und unser finanzielles Verhalten sich entwickelt hat. Dies geschieht nämlich viel früher, als die meisten vermuten. Im Alter von sieben bis neun Jahren verfestigen sich bereits unsere finanziellen Gewohnheiten, die wir mit ins Erwachsenenleben tragen. Unsere Kindheit ist somit durchaus prägend, ob wir später beispielsweise gut haushalten können, ob wir lieber alles auf den Kopf hauen oder sehr sparsam sind. Wenn wir also heute auf unsere Finanzgewohnheiten schauen, ist es hilfreich, sich an früher zurückzuerinnern und zu reflektieren, was einen geprägt hat und immer noch bewegt.

Zweitens, – und das passt wunderbar zu den Kindheitserfahrungen – in Deutschland sprechen wir kaum über Geld. Sollten wir aber! Wir sprechen nicht darüber, weil es als unhöflich oder gar als Tabu gilt. Schon als Kinder lernen wir „Über Geld spricht man nicht“. Oftmals ist das Sprechen über Geld auch mit Scham verbunden. Denn häufig unterliegen wir dem Irrglauben, dass andere ihre Finanzen sicherlich deutlich besser im Griff haben als wir selbst. Dabei zeigt sich, dass über Geld zu sprechen, das finanzielle Wohlbefinden sogar steigert. Man kann sich austauschen, inspirieren oder Hilfe erhalten.

Drittens: Wir müssen netter zu uns selbst sein. Wir alle machen Fehler – auch in Sachen Geld. Anstatt sich Vorwürfe zu machen, sollten wir lieber auf Selbstreflexion setzen. Gab es Gründe, warum wir so entschieden oder uns so verhalten haben? Können wir eine Lösung Enden oder für zukünftige Entscheidungen etwas daraus lernen? Oftmals setzen wir uns nicht mit unseren eigenen finanziellen Bedürfnissen und Verhaltensweisen auseinander. Achtsamkeit kann hier unser finanzielles Wohlbefinden steigern.

Viertens, wir müssen stärker bedenken, dass Finanzen nun mal individuell und persönlich sind. Wir alle bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit, befinden uns in verschiedenen Lebenssituationen und haben individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Ziele. Faustregeln sind da häufig nicht wirklich praktikabel. Trotzdem fühlen wir uns schlecht, wenn wir solche nicht einhalten können. Statt sich demotivieren zu lassen, schnappt euch lieber eure persönliche Ausgabenübersicht und schaut, ob ihr euer Geld nicht doch für etwas anderes einsetzen könntet.

Fünftens: „Life can be messy.“ Wir können verschiedenste finanzielle Schocks erleiden. Das kann der Verlust des Arbeitsplatzes sein, eine Trennung oder der Verlust eines geliebten Menschens. Es kann aber auch einfach mal was kaputt gehen, z.B. das Auto oder die Waschmaschine. Genau für solche Situationen sollten wir einen Notgroschen haben, damit wir schwierige Zeiten oder Extraausgaben überbrücken können und nicht am Ende sagen müssen, dass dieses Ereignis uns von der Vorsorge abgehalten hat.

Sechstens, wir müssen uns selber austricksen. Wir wissen, wie wichtig Sparen und Vorsorge sind. Doch leider fällt uns, Geld für die Zukunft zur Seite zu legen, häufig schwerer, als Geld in der Gegenwart auszugeben. Denn unser Gehirn ist so programmiert, dass es die sofortige Befriedigung (z.B. durch den Kauf eines super schicken Wintermantel) bevorzugt. Sparen kann sich sogar manchmal wie ein Verlust anfühlen, da es unser Ausgabenbudget in der Gegenwart einschränkt. Ein Dilemma. Aber auch hier können wir unsere eigene Programmierung zu Nutzen machen. Denn für die Zukunft können wir uns häufig ein besseres Verhalten vorstellen, auch wenn wir es am Ende vermutlich nicht umsetzen. Jede:r kennt es: Man sagt sich selbst, dass man ab Montag gesünder essen wird, dafür darf man heute noch mal richtig zuschlagen. Wenn es aber soweit ist, wird man vermutlich auch am Montag einen Burger statt einem Salat wählen. Hat man aber bereits für einen Salat eingekauft, erhöht es die Chance, gesünder zu essen. Also nimm dir für die Zukunft vor zu sparen und verknüpfe dieses Vorhaben mit einem Automatismus, z.B. einem Dauerauftrag. Für noch mehr Trickserei, den Sparbetrag am besten noch konkret benennen. Das macht es uns schwerer, das Gesparte für etwas anderes als den vorgesehenen Zweck zu nutzen.

Siebtens, wir müssen uns mehr feiern. Kleine Erfolge und Fortschritt sind wichtig, sie bestärken uns und helfen uns am Ball zu bleiben. Anstatt nur auf große Meilensteine zu achten, sollten wir uns auch mal auf die Schulter klopfen, wenn wir einen Dauerauftrag für ein Sparziel oder einen Sparplan für die Altersvorsorge eingerichtet haben.

Vielleicht braucht es einfach Money-Dates. Mit uns selbst. Mit Freund:innen. Eine Stunde mit einem leckeren Kaffee oder Glas Wein, wo wir unsere Finanzen reflektieren.

Quellen:

Daniel Kahneman (1979) Prospect Theory

Cambridge University, Whitebread, D. & Bingham, S. (2013): Habit Formation and Learning in Young Children Havard Business Review (2021): Why Are We So Emotional about Money?

Beshears, J. (Havard Business School), Milkman, K. (Wharton School of Business), Burke, L. & Fahey, A. In money.com (2016): The Science Behind Why You Don’t Save (And What To Do About It)

Vox Media (2022): Money is emotional — but personal `nance advice rarely accounts for that

Börsch-Supan et al. (2018): Saving Regret

Ted-Talk (2011): Shlomo Benartzi – Saving for tomorrow, tomorrow